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Frauenvereine

Die Gründung der ersten Frauenvereine in DA erfolgte, wie in anderen Städten auch, im Zeichen der „weiblichen Fürsorge“ für das Gemeinwohl. Ziele der frühen Frauenzusammenschlüsse waren die Unterstützung von Armen, Waisen, Kranken und geistig Behinderten. Bereits 1846 existierten in DA ein Damenverein zur Unterstützung der Armen und eine von Frauen betreute Suppenanstalt mit Wärmeräumen im Winter. Mit dem sozialen Engagement der Großherzoginnen Mathilde und ihrer Schwägerin Elisabeth wuchs in den folgenden Jahren die Bedeutung der von Frauen geführten Hilfsvereine. Beide übernahmen „Protektorate“ von Heilanstalten für Kranke und Pflegebedürftige, so z. B. für das Mathilden-Landkrankenhaus (Küchler, Heinrich Georg), gegründet 1849, und für das Elisabethenstift, gegründet 1858. Die ersten Darmstädter Frauenvereine, die die Berufsbildung von Frauen als Schwerpunkt ihrer Aufgaben ansahen, waren die Alice-Frauenvereine. Initiatorin dieser Einrichtungen war Prinzessin Alice. Sie engagierte sich bald nach ihrer Ankunft in DA (1862) in den von ihrer Schwiegermutter betreuten Hilfsvereinen und für die Einrichtung einer „Anstalt für Blödsinnige“, des späteren Alicestifts. 1867 berief sie ein aus sechs Frauen und vier Ärzten bestehendes Komitee zur Bildung eines Frauenvereins für Krankenpflege mit dem Zweck, für die Versorgung der Kranken professionelle Krankenschwestern ohne kirchliche Bindung auszubilden. Im gleichen Jahr der Gründung des Alice-Vereins für Krankenpflege entstand unter der Leitung von Luise Büchner der „Verein zur Förderung der weiblichen Industrie“, der spätere „Alice-Verein für Frauenbildung und Erwerb“. 1874 gründeten Frauen den ersten Hausfrauen-Verein (Hausfrauenbund) in DA. Der von 1879 bis 1883 von Anna Lesser-Kiesling geleitete „Frauenverein Sonntagsruhe“ war der erste Zweigverein des „Allgemeinen Deutschen Frauenvereins“ in DA. Der Verein betreute und unterrichtete Kinder, v. a. Mädchen aus Arbeiterfamilien während der Abwesenheit ihrer Eltern.

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es bereits zahlreiche Frauenvereine in DA. Es wurden v. a. Ortsverbände von überregionalen Frauenorganisationen gegründet (Allgemeiner Deutscher Frauenverein, Deutsch-Ev. Frauenbund, Kath. Deutscher Frauenbund, Jüdischer Frauenbund, Darmstädter Lehrerinnenverein, Kaufmännischer Bund weiblicher Angestellter u. a.). Infolge der Stimmrechtsbewegung der Frauen in Deutschland bildete sich 1907 auch der „Verein für Frauenstimmrecht“ in DA. Um 1910 schlossen sich 27 Darmstädter Frauenvereine zum „Verband Darmstädter Frauenvereine“ zusammen. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte der Verband unter dem Vorsitz von Mathilde de Weerth ca. 6.000 Mitglieder. DA war bis 1933 auch Sitz zahlreicher hessischer Frauenverbände: Hessischer Verband für Frauenstimmrecht, Landesverband Deutscher Lehrerinnen-Verein, Verein Hessischer Musiklehrerinnen, Hessischer Hebammenverband, Hessische Landesgruppe des Deutschen Verbandes der Sozialbeamtinnen u. a.

Seit 1905 befand sich auch das Zentralbüro des von Marie zu Erbach-Schönberg geleiteten „Deutschen Nationalvereins Freundinnen junger Mädchen“ in DA. 1924 eröffnete der Verein in der Sandstrasse ein neues Vereinsheim. Zweck dieses Vereins war es, Hilfe für alle jungen Mädchen in rat- und schutzbedürftiger Lage, v. a. für reisende junge Mädchen auf den Bahnhöfen oder in den Seehäfen und auf den Schiffen zu bieten. Der Verband verfügte in den 1910er Jahren über 33 Landes- und 200 Lokalvereine. 1933 wurden auch in DA die meisten Frauenvereine von den Nationalsozialisten „gleichgeschaltet“ oder aufgelöst. Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs organisierten sich die Darmstädterinnen erneut. Neben den konfessionellen und berufsständischen Frauenverbänden entstand bald ein sich unabhängig bezeichnender Frauenverband, aus dem sich die spätere Ortsgruppe des Deutschen Frauenrings gebildet hat. Auch einige der „alten“ Frauenverbände wurden neu gegründet: der Hausfrauenbund oder der Akademikerinnenbund. 1949 schlossen sich die Darmstädter Frauenverbände zu einer „Arbeitsgemeinschaft der Darmstädter Frauenvereine“ zusammen. Im Zuge der so genannten Neuen Frauenbewegung ab 1968 entstanden auch in DA autonome Frauengruppen, die sich v. a. gegen Gewalt und strukturelle Benachteiligung von Frauen einsetzten.

Lit.: Die Alice-Vereine im Großherzogtum Hessen-Darmstadt (1867-1918), Festschrift anlässlich der Gründung der Alice-Frauenvereine in Darmstadt vor 150 Jahren (1867), hrsg. von Agnes Schmidt, Darmstadt 2017.