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Spielkartenfabriken

Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war DA ein Zentrum der deutschen Spielkartenproduktion. Die erste Firma wurde kurz nach 1811 von Johann Georg Heinrich Backofen (1768-1830) gegründet. Er stammte aus einer weit verzweigten Nürnberger Familie, deren Angehörige meist gleichzeitig Musiker und Kartenmacher waren. Backofen siedelte 1811 mit Frau und vier Kindern nach DA über, um als Kammermusiker in die Hofkapelle Großherzog Ludewigs I. einzutreten. Daneben gab er Zeichenstunden und betrieb eine Spielkartenfabrik. Im Jahr 1819 wird ein weiterer Hofmusikus und Kartenmacher, Georg Adam Fischer, erwähnt, von dem nichts Weiteres bekannt ist. Backofens Söhne haben die Spielkartenfabrikation nicht weiter betrieben. Vermutlich verkauften sie die Firma an den ebenfalls aus Nürnberg stammenden und seit 1819 in DA ansässigen Wolfgang Christian Reuter (1795-1872), der seine florierende Spielkartenherstellung zunächst in der Schulstraße, später in der Waldstraße (heute Adelungstraße) betrieb. Unsterblich wurde Reuter durch die Erwähnung in Ernst Elias NiebergallsDatterich“, als der Protagonist seine Freunde im Wirtshaus in Traisa auffordert: „Awwer, meine Herrn, wolle mer net e Bisje in Wolfgang Reiters zwei un dreißigblättrige Gebetbuch blättern?“. Die Firma nahm 1851 an der ersten Weltausstellung in London teil. Die Söhne Emil (1822-1900) und Theodor (1834-1917) stiegen 1854 bzw. 1867 als Teilhaber in die Spielkartenfirma ein. Nach Wolfgang Reuters Tod wurde die Firma von seiner Witwe Elisabeth und den beiden Söhnen noch bis 1878 fortgeführt, dann anscheinend der Betrieb eingestellt.

Einige Zeit nach Reuter gründete Maximilian Frommann (1813-1866) im Jahr 1835 eine lithografische Anstalt am Marktplatz und verlegte den Betrieb 1850 in die Schützenstraße. Frommann druckte neben Banknoten, topografischen Karten und Stadtplänen auch Spielkarten. Auch er nahm an der Weltausstellung 1851 teil, musste seinen florierenden Betrieb mehrfach erweitern. Nach seinem Tod konnten sich seine Erben nicht auf eine gemeinsame Fortführung der Firma einigen; es entstanden deshalb zwei Nachfolgefirmen: Frommann & Bünte, geführt von Maximilian Frommanns Tochter Anna (1844-1922) und ihrem Ehemann Georg Bünte (1832-1914) am alten Firmensitz in der Schützenstraße, und Frommann & Morian, geleitet von Annas Bruder Friedrich (1841-1905) und seinem Partner Friedrich Morian (1844-1901), zunächst in der Bleichstraße, ab 1885 in der Heidelberger Straße im damals noch selbstständigen Bessungen angesiedelt. Frommann & Bünte erweiterten ihr Firmengelände, als sie 1895 eine neue Fabrik am östlichen Stadtrand in der Roßdörfer Straße (zwischen heutiger Beck- und Inselstraße) errichteten. Nach dem Tod von Georg Büntes Sohn Otto (1874-1928) wurde die Firma geschlossen.

Frommann & Morian wurde nach dem Tod Friedrich Morians im Jahr 1901 von dessen Sohn Hermann weitergeführt. Ende des 19. Jahrhunderts produzierte die Firma 1.500 bis 2.000 Kartenspiele täglich. Ihr Firmenzeichen war der Anker, während die Schwesterfirma Fromann & Bünte den Hirschkopf verwendete. 1929 wurde die Spielkartenproduktion von Frommann & Morian von den Vereinigten Altenburg-Stralsunder Spielkarten-Fabriken AG übernommen, während Hermann Morian eine lithografische Anstalt und einen Verlag bis 1964 weiter betrieb. Zwei Spielkartenfirmen bestanden nach dem Zweiten Weltkrieg in DA: 1973 bis 2000 unterhielt die Berliner Spielkarten GmbH und Cie. ein Verkaufsbüro mit Verlag in der Havelstraße. 1979 gründete der Verleger Ernst Leonhard die Leonhard Spielkarten GmbH DA, die ihren Betrieb 1986 wieder einstellte.

Lit.: Eiff, Adolf: Darmstädter Spielkartenhersteller im 19. und 20. Jahrhundert. In: Das Blatt, Nr. 10, 1995, S. 1-19.