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Landestheater, Hessisches

Mit Ende der Monarchie im November 1918 wurde aus dem Großherzoglichen Hoftheater das Hessische Landestheater. Unterhaltsträger war ab 1919 der Volksstaat Hessen. Der Wechsel vollzog sich während der kurzen Intendanz von Adolf Krätzer, der im April 1919 nach nur zehnmonatiger Amtszeit zurücktreten musste, da er mit seinen Reformabsichten auf Widerstand gestoßen war. Zuvor hatte Krätzer noch den langjährigen Bayreuther Festspieldirigenten Michael Balling als Generalmusikdirektor engagieren können, der die Darmstädter Oper in den Folgejahren nachhaltig prägte. 1919 wurde mit „Woyzeck“ erstmals ein Drama Georg Büchners auf die Darmstädter Bühnen gebracht. Nach vorübergehender kollektiver Theaterleitung begann mit Gustav Hartung (Generalintendant 1920-1924) eine Epoche, in der sich das Darmstädter Theater in der deutschen Theaterlandschaft in vorderster Reihe befand. Hartung suchte durch Zusammenspiel von Regie und Bühnenbild ein Höchstmaß an Werkverständnis zu erreichen. Hierzu hatte er mit dem Bildhauer Theodor C. Pilartz einen kongenialen Partner. Mit Nachdruck förderte er junge expressionistische Autoren, was bei Presse und Publikum zu heftigen Konfrontationen führte. Doch insgesamt folgten die Darmstädter dieser neuen Entwicklung.

Eine zweite Spielstätte wurde 1922 im umgebauten alten Landgrafentheater (Barocktheater) als „Kleines Haus“ eröffnet. 1924 übernahm Ernst Legal die Theaterleitung. Neben Wagnissen, die starke Kritik auslösten, gab es auch viel Konventionelles. Die Oper gewann unter Generalmusikdirektor Joseph Rosenstock, einem Förderer zeitgenössischer Musik, weiter an Profil. Carl Ebert, Generalintendant 1927 bis 1931, war nicht nur als Schauspieler und Regisseur ein genialer Gestalter, er hatte zudem eine glückliche Hand bei der Wahl seiner Mitarbeiter: Karl Böhm als Generalmusikdirektor, Wilhelm Reinking als Bühnenbildner, Arthur Maria Rabenalt als Opernspielleiter und Cläre Eckstein, eine Vorläuferin des modernen Tanztheaters. Dem ausgezeichneten Schauspielensemble gehörten u. a. Bernhard Minetti, Sybille Schmitz, Werner Fink und Werner Kinz an. 1931 übernahm Gustav Hartung erneut die Theaterleitung. Im Musiktheater wahrten die Dirigenten Karl Maria Zwißler und Hans Schmidt-Isserstedt DAs Ruf als eine der modernsten Bühnen Deutschlands. Hartungs erfolgreiche Theaterarbeit fand ihr jähes Ende mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Vor deren Zugriff rettete er sich im März 1933 durch Flucht in die Schweiz. Zahlreiche beliebte Künstler wie Ernst Ginsberg, Lilly Palmer und Franziska Kinz mussten aus rassischen oder politischen Gründen das Theater verlassen, ebenso der Dramaturg Kurt Hirschfeld. Stücke mit völkischer und nationaler Tendenz von meist geringem Wert bestimmten zunächst den Spielplan des Schauspiels.

1934 ging die Leitung des Landestheaters an Franz Everth (1880-1965), der zwar um Konzessionen nicht herumkam, das Theater jedoch weitgehend von nationalsozialistischer Beeinflussung freihalten konnte. Für qualitätvolles Theater sorgten die Spielleiter Jochen Poelzig und Reinhard Lehmann sowie Generalmusikdirektor Fritz Mechlenburg, dazu hervorragende Schauspieler wie Martin Held, Hanns Ernst Jäger und Carl Raddatz. Die Tradition des Darmstädter Ausstattungsstils setzte Max Fritzsche fort und die über Jahrzehnte bewährte Elli Büttner. Wie alle deutschen Bühnen musste das Darmstädter Theater Ende August 1944 schließen. Wenige Tage später fielen in der Brandnacht beide Häuser dem Bombenangriff zum Opfer.

Lit.: Kaiser, Hermann: Modernes Theater in Darmstadt 1910–1933. Ein Beitrag zur Stilgeschichte des deutschen Theaters zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Darmstadt 1955; ders.: Vom Zeittheater zur Sellner-Bühne, Darmstadt 1961.