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Kerb

Das wichtigste Jahresfest in den Dörfern in der Umgebung DAs war von alters her die Kerb, eigentlich ein Erinnerungsfest an den Tag der Kirchenweihe. Eine Kerb in DA selbst ist nicht überliefert. Ihren Charakter als Gemeindefest bezog die Kerb aber eher von der Tradition der Erntefeste am Ende des ländlichen Arbeitssommers. Deshalb wurde und wird sie fast überall im Herbst gefeiert, man bemühte sich, überlieferte Kirchweihtermine im Sommer auf den Herbst zu verlegen. Die Arheilger Kerb wurde seit dem Mittelalter Anfang August gefeiert. 1603 genehmigte die landgräfliche Regierung auf Antrag der Arheilger die Verlegung auf den Sonntag nach Allerheiligen, weil man im August zu sehr mit der Einbringung der Ernte und der Aufbringung von Steuern beschäftigt sei. Die Bessunger, die ihre Kerb ursprünglich um den Gallustag, den 16. Oktober herum gefeiert hatten, baten umgekehrt anlässlich der Einweihung der Bessunger Kirche am 21.09.1884 um eine Vorverlegung des Termins der Kerb auf eben diesen Tag, was auch genehmigt wurde. Schon Martin Luther wollte die Kerb wegen der Saufgelage abschaffen. Immer wieder beschwerten sich Pfarrer über die wüsten Kerbbräuche. Eltern seien nicht mehr Herr über Kinder und Gesinde. Die jungen Leute brächten unter beständigem Saufen ihr ganzes Geld durch. Die Eberstädter Dorfordnung von 1557 bestimmte, übermäßiges Essen und Trinken und sonstige Ausschweifungen bei der Kerb seien bei Strafe verboten. 1738 berichtete der Arheilger Zentgraf, dass sich die Arheilger Kerbeburschen beim Aufrichten des Kerbebaums und anderen Aktivitäten so ungebärdig zeigten, dass weder geistliche noch weltliche Obrigkeit „die biß an den Hals mit Bier und Brandwein angefüllte Nachkommenschafft des Grobiani im Zaum und gehörigen Schranken zu halten im Stand ist“. Andere Berichte weisen auf die verderbliche Wirkung der Tanzveransaltungen auf die Moral der jungen Leute hin.

Die Bessunger Kerb wurde seit 1884 immer um den 21. September herum gefeiert. In der Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg ging die Tradition ein, wurde aber nach einer Pause von zehn Jahren 1933 wieder aufgenommen, ging im Zweiten Weltkrieg erneut ein und wurde mit der ersten Nachkriegskerb vom 03.-05.09.1949 wieder belebt. Zu den alten Bessunger Kerbbräuchen gehörten der Fackelzug der Kerweburschen, das Ausgraben des Bessunger Lapping (statt Hissen des Kerwekranzes), der Kerwefestzug, wobei der Kerwevater hoch zu Ross saß, und Tanz in allen Bessunger Gaststätten. Auch die Nachkerb wurde damals bereits gefeiert. Die Eberstädter Kerb wurde ursprünglich zwei Wochen nach Ostern, ab 1523 (Neuweihe der Kirche) am 02. Oktober gefeiert. 1851, nach der erneuten Weihe, wurde der Kerbtermin auf den Laurentiustag (10. August) gelegt. Höhepunkt der alten Kerb war der Kerwetanz unter dem geschmückten Baum. Ein Umzug fand erst in der Zeit nach 1851 bis etwa 1880 statt. Symbol der Kerb war der „Kerwe-Seppel“, der wie ein Narr angezogen war und an der Spitze des Zugs tanzte. Nach dem Ersten Weltkrieg lebte der Umzug wieder auf, ging aber in den 1930er Jahren wieder ein. Eine „richtige“ Kerb mit Umzug, Aufstellen des Kerwebaums und Kerwerede gibt es wieder seit 1972.

Die Martinskerb kam mit der Errichtung der Martinskirche 1883 auf und wurde bis zum Ersten Weltkrieg gefeiert. Mit der Weihe der nach der Kriegszerstörung wieder aufgebauten Kirche am 10. und 11.11.1951 lebte auch die Kerb wieder auf. 1954 wurde der Kerbtermin auf das erste Oktober-Wochenende vorverlegt, seit 1983 feiert das „Watzeverdel“ im September immer eine Woche vor der Bessunger Kerb. Als der Festplatz 1990 vom Riegerplatz an den Rand des Bürgerparks Nord verlegt wurde, gab es darüber kontroverse Diskussionen. 1998 kehrte die Kerb wieder an den Riegerplatz und damit ins Zentrum des Viertels zurück. Zu den Traditionen der Martinskerb gehört neben dem Aufrichten des Kerwekranzes und dem Umzug seit 1995 der Martinsviertelgrenzgang. Bis 1951 wurde auch in der Heimstättensiedlung Kerb gefeiert, danach feierten Altsiedler und Ungarndeutsche Neusiedler getrennt. Die 1979 gegründete Vereinsgemeinschaft Heimstättenvereine rief die gemeinsame Heimstätten-Kerb 1980 wieder ins Leben. Nebenan in der Waldkolonie feiert man die Kerb ebenfalls, früher Anfang August, seit 1993 am letzten August-Wochenende, jeweils auf dem Paul-Gerhardt-Platz. Ebenfalls Ende August feiern die Wixhäuser ihre Kerb am Bürgermeister-Pohl-Haus. Eine besondere Attraktion war hier der seit 1988 und bis vor ein paar Jahren veranstaltete Kerbelauf. Die jüngste Kerb in DA wurde 1989 in Kranichstein ins Leben gerufen und jeweils Anfang Juni gefeiert, letztmals allerdings 1998.

Lit.: Andres, Wilhelm: Alt-Arheilgen. Geschichte eines Dorfes, Darmstadt 1978 (Darmstädter Schriften 41), S. 14f.; Engels, Peter: Geschichte Bessungens, Darmstadt 2002 (Darmstädter Schriften 83), S. 156f.; Engels, Peter / Franz, Eckhart G.: Kleine Darmstädter Festgeschichte. Vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert, Darmstadt 2000, S. 14; Festschrift 1200 Jahre Eberstadt, Darmstadt 1982, S. 62-70.