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Diehl, Wilhelm

Prälat der Hessischen Landeskirche, Kirchenhistoriker, Politiker
* 10.01.1871 Groß-Gerau
† 11./12.09.1944 Darmstadt
Einer alten Groß-Gerauer Bürgersfamilie entstammend besuchte Wilhelm Diehl 1877 die dortige höhere Bürgerschule und ab 1885 das Ludwig-Georgs-Gymnasium in DA. Ab 1890 studierte er ein Semester in Tübingen und dann in Gießen Ev. Theologie und Philosophie. Hier legte er 1893 das erste und 1895 in DA das zweite theologische Examen ab. 1894 wurde er in Gießen zum Lic. [=Dr.] theol. (Theol. Ehrenpromotion: Gießen 1904; juristische Ehrenpromotion: Gießen 1931) und 1895 zum Dr. phil. promoviert. Seit 1927 las er dort Hessische Kirchengeschichte, seit 1932 als „Ordentlicher Honorarprofessor“. Nach seiner Ordination 1895 in der Darmstädter Martinskirche war Diehl dort Pfarrassistent, 1898 Lehrer an der Darmstädter Ludwigs-Oberrealschule (Realschule), 1899 Pfarrer in Hirschhorn, 1907 Pfarrer für den Kaplaneibezirk und 1911 für den Schlossbezirk der Darmstädter Stadtkirche (Schlosskirche). Aus seinem umfangreichen Werk als Historiker und Volkskundler ragt die zwölfbändige „Hassia Sacra“ (ab 1921) heraus, ebenso seine Arbeiten zur hessischen Schulgeschichte (Die Schulordnungen des Großherzogtums Hessen, 3 Bde., Berlin 1903-05, Monumenta Germaniae Paedagogica 17, 18, 33). Von 1913 bis 1923 war Diehl Professor am Predigerseminar in Friedberg. 1923 wurde er Prälat (Kirchenpräsident) der Hessischen Kirche (Hessen-Darmstadt); ein wichtiges kirchenpolitisches Ziel Diehls war die Wiederherstellung der (großhessischen) Kirche Philipps des Großmütigen. Am 08.02.1934 wurde er von den jetzt regierenden Deutschen Christen (Landesbischof Lic. Ernst Ludwig Dietrich) in den Ruhestand versetzt. 1919 bis 1927 war Diehl für die Hessische Volkspartei (DNVP) Mitglied des hessischen Landtags, wo er sich vor allem für die (christliche) Simultanschule einsetzte. Zusammen mit seiner gelähmten Ehefrau Elise verw. Winkelmann geb. Tesch verbrannte Diehl in der Brandnacht 1944. Diehl war ein gelehrter, volksnaher
, seelsorgerlich ausgerichteter, auch über Parteigrenzen hinaus hoch geachteter gemäßigt liberaler Theologe mit starker sozialethischer Komponente; Gemeinde, Volkskirche und weltoffene persönliche Frömmigkeit waren ihm besonders wichtig. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Alten Friedhof in DA. Die Prälat-Diehl-Straße in Bessungen erinnert heute an ihn.

Lit.: Gerstenmaier, Ernst: Wilhelm Diehl als Pfarrer, Synodaler, Professor und Prälat. In: JHKGV 22, 1971, S. 1-84; 23, 1972, S. 81-196; 24, 1973, S. 85-254; Dienst, Karl: Wilhelm Diehl. Kirchenmann – Gelehrter – Politiker. In: Ebernburg-Hefte 29, 1995, S. 173-193; Ders.: Politik und Religionskultur in Hessen und Nassau zwischen ‚Staatsumbruch’ (1918) und ‚nationaler Revolution’ (1933), Frankfurt/Main 2010; Lück, Wolfgang: Wilhelm Diehl – Einer der Gründungsväter der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Darmstadt 2013; Darmstädter Ehrengräber, Darmstadt 2016 (Darmstädter Schriften 105), S. 39-42.