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Architekturgärten

Zu Anfang des 20. Jahrhunderts wurden auf der Mathildenhöhe im Rahmen der vier Ausstellungen der Künstlerkolonie Gartenanlagen geschaffen, die die Gedanken der Reformbewegung eindrucksvoll zum Ausdruck brachten. Das Leitbild war eine Synthese von Kunst, Leben und Natur. Beispielhaft und anschaulich wollte man „eine Widerspiegelung moderner Kultur geben und damit einen Merkstein auf dem Wege der Lebenserneuerung setzen“ wie dies Joseph Maria Olbrich als Zielsetzung für die Kolonie um 1900 formulierte. Der Anstoß zu Veränderungen und Reformen in der Gartenkunst am Ende des 19. Jahrhunderts kam diesmal von außen, von Künstlern, Architekten und Kunsterziehern. Vorbilder waren alte Bauern- und Klostergärten, aber auch Gärten aus China, Japan und Java. Zu den in Deutschland bekannten Gartengestaltern gehören u. a. der Architekt Hermann Muthesius (1861-1936), der Keramiker und Hochschullehrer Max Laeuger (1864-1952), sowie die von Großherzog Ernst Ludwig 1899 berufenen Künstler, Hans Christiansen, Peter Behrens und Olbrich. Sie sahen Haus und Garten als Gesamtkomposition, wobei die Gestaltungsprinzipien des Hauses sich im Garten fortsetzten. Diese Anlagen werden als „Architekturgärten“ oder auch als „formale oder geometrische Gärten“ bezeichnet. Der von künstlerisch gestalteten Einfriedungen umschlossene Freiraum wurde nach geometrischen Prinzipien in bewohnbare „Naturräume“ unterteilt. Geschnittene Hecken, berankte Pergolen, Laubengänge und begrünte Spaliere, abgesenkte Bereiche mit Stützmauern und Treppen sowie Rabatten mit Stauden und Rosen in ausgesuchten Farbzusammenstellungen bildeten die Räume, denen unterschiedliche Funktionen zugedacht waren. Am Haus Olbrich gab es einen Blumengarten, einen Gemüsegarten, eine Rasenfläche, eine Linde mit Gartenbank, einen Fuchsiengarten entlang der Stützmauer, einen kleinen Birkenhain, am Garteneingang ein schmiedeeisernes Portal mit Blütenformen und daran anschließend einen mit farbigem Mosaikpflaster gefassten Platz vor dem Treppenaufgang zum Haus. Eine Brunnenanlage, eine Sonnenuhr und solitäre Bäume ergänzten die Anlage.

Die 1901 für die erste Ausstellung der Künstlerkolonie geschaffenen Künstlervillen von Behrens, Christiansen und Olbrich waren auf die jeweilige Persönlichkeit zugeschnittene einheitliche Schöpfungen, „Gesamtkunstwerke“; Haus, Innendekoration und Gartengestaltung waren Ausdruck derselben Empfindung. Trotz gleicher Zielsetzung und Ausgangsposition unterschieden sich die von den drei Künstlern geschaffenen Gartenanlagen wesentlich voneinander. Für die zweite Ausstellung der Künstlerkolonie entstand 1904 für die Dreihäusergruppe an der Ecke Prinz-Christians-Weg / Stiftstraße eine weitere, drei Grundstücke umfassende Gartenanlage von Olbrich. Mit den Farbgärten, die Olbrich 1905 für die anlässlich des 70-jährigen Bestehens des Gartenbauvereins unter der Schirmherrschaft von Großherzog Ernst Ludwig ausgerichtete Gartenbauausstellung in der Orangerie konzipierte, gelang es ihm, sich einen festen Platz in der Reihe der renommierten Gartenarchitekten des 20. Jahrhunderts zu sichern. Für diese Ausstellung entwarf Olbrich auch den Gesamtplan. Die Farbgärten waren in Form von Senkgärten in das obere Plateau des barocken Gartens eingelassen, sodass die historische Anlage erhalten blieb.

1908 im Zusammenhang mit der Hessischen Landesausstellung wurden von Olbrich das Oberhessische Haus und seine Gartenanlage entworfen. Im selben Jahr gestaltete er auch für den Möbelfabrikanten Julius Glückert den Garten neu, der sich neben dem Kleinen Glückert-Haus (Glückert-Häuser) in Verlängerung der Treppenanlage vor dem Ernst-Ludwig-Haus (Museum Künstlerkolonie DA) zwischen Alexandraweg und Prinz-Christians-Weg über den gesamten Südhang erstreckte. Auf diesem Hanggelände entstand ein durch Terrassen gegliederter Rosengarten, der eine Vielzahl charakteristischer Gestaltungselemente Olbrichs vereinte: ein rundes Wasserbecken, Pyramidenpappeln anstelle von Zypressen, Kieswege, Backsteintreppchen, Sandsteinkugeln, Kübelpflanzen und üppig blühende Rosen in Heckenform, als Hochstämmchen und als Strauchrosen. Diese Gartenschöpfung auf der Mathildenhöhe assoziierte die Atmosphäre eines mediterranen Renaissancegartens.

1908 wurden auch die Ausstellungshallen (Institut Mathildenhöhe) mit dem Hochzeitsturm nach Entwürfen von Olbrich errichtet. Deren mit blühenden Schlingpflanzen begrünten und in die Höhe gestaffelten Betonpergolen, die die Ausstellungshallen mit dem Wasserhochreservoir und mit dem umgebenden Gelände verbinden, sind bis heute sichtbares Zeugnis für Olbrichs Meisterschaft, architektonisch-geometrische Strukturen in Verbindung mit floraler und farblich reizvoller Vegetation zu einem unverwechselbarem Ganzen zu verbinden. Für die letzte Ausstellung der Künstlerkolonie im Jahr 1914 fügte Albin Müller, der Olbrich nachfolgte, weitere Ergänzungen wie den Schwanentempel mit der Treppenanlage, die Pergola entlang des Alexandrawegs, das Wasserbecken vor der Russischen Kapelle und die schmiedeeisernen Bögen mit den Steinbänken zu beiden Seiten des Eingangsportals hinzu. Zusammen mit dem Bildhauer Bernhard Hoetger ergänzte er die räumliche Einfassung des Platanenhains auf der West- und Nordseite mit berankten Gitterwänden. Skulpturen, Reliefs, Vasen sowie ein weiterer Brunnen in eigens hierfür geschaffenen Nischen und halbrunden Konchen kamen hinzu. Die öffentlichen Bereiche der Parkanlage wurden zum 100. Jubiläum der Künstlerkolonie 1998-2004 nach gartendenkmalpflegerischen Gesichtspunkten wiederhergestellt, von den einst viel beachteten privaten Hausgärten der Künstlerhäuser hat keiner die Zeiten überlebt.

Lit.: Neue Gärten von Olbrich, Ernst Wasmuth AG, Berlin 1905; Mathildenhöhe Darmstadt, Bd. 1, überarbeitete Neuaufl., Darmstadt 2004; Geelhaar, Christiane: „Ein Stück lebendiger Kunst“, Olbrichs Gartengestaltungen. In: Ausstellungskatalog Joseph Maria Olbrich 1867-1908, Darmstadt 2010, S. 312-325.