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Darmstädter Madonna

Die Darmstädter Madonna von Hans Holbein d. J. (1497/98-1543) zählt zu den bedeutendsten Gemälden der deutschen Renaissance. Das Tafelbild beeindruckt durch die meisterhaft verdichtete Komposition, das intensive Kolorit und die individuelle Charakterisierung der dargestellten Personen. Das Andachtsbild entstand 1525/26 im Auftrag des ehemaligen Baseler Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen (1482-1531), der es zwei Jahre nach der Vollendung vom Künstler eingreifend verändern ließ. Es zeigt Maria mit dem Christuskind im Typus einer Schutzmantelmadonna, in deren Obhut sich der Auftraggeber und seine Familie begeben haben. Zur Rechten Mariens kniet Jakob Meyer mit einem Knaben, in dem ein urkundlich nicht nachweisbarer Sohn oder der Namenspatron des Auftraggebers, der Heilige Jakob, vermutet wird. Dieser umarmt ein stehendes, nacktes Kind, bei dem es sich um Johannes den Täufer handelt. Zur Linken knien drei weibliche Figuren: Meyers Tochter Anna und ihre Mutter Dorothea Kannengießer und die verstorbene erste Frau des Auftraggebers, Magdalena Baer. Holbein kombinierte in diesem Gemälde das Motiv der Schutz spendenden Madonna mit der v. a. in Italien beliebten Darstellung der Madonna mit dem Christuskind und dem Johannesknaben. Mit der Darstellung der verstorbenen ersten Frau des Jakob Meyer gab er dem Bild auch den Charakter eines Epitaphs.

Die Darmstädter Madonna befand sich bis etwa 1606 im Besitz der Nachkommen Jakob Meyers, wechselte dann mehrfach den Besitzer und wurde schließlich 1822 von Prinz Wilhelm von Preußen aus dem Kunsthandel erworben. Dessen Tochter Elisabeth, Gemahlin von Prinz Carl, Bruder Ludwigs III., erbte das Bild 1852 und brachte es nach DA. Seitdem trägt das Gemälde den Namen „Darmstädter Madonna“, auch um es von einer 1635/37 von Bartholomäus Sarburgh (um 1590 bis nach 1637) gefertigten Kopie, der „Dresdener Madonna“, zu unterscheiden, die bis ins späte 19. Jahrhundert als das Original galt (so genannter „Holbeinstreit“). Ab 1924 wurde das Tafelbild im Darmstädter Schlossmuseum ausgestellt. Durch die rechtzeitige Auslagerung in das schlesische Schloss Fischbach und danach in die Veste Coburg konnte die Darmstädter Madonna vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg gerettet werden. Nach der Rückführung wurde das Tafelbild von 1947 bis 1958 an das Baseler Kunstmuseum verliehen, das dafür Darmstädter Kindern, den so genannten Madonnenkindern, einen Urlaub in der Schweiz ermöglichte. 1965 kehrte das Gemälde in das wieder aufgebaute Schlossmuseum zurück. Von 2004 bis 2011 als befristete Leihgabe im Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt/Main ausgestellt, wird das Werk nach dem Verkauf an den Unternehmer und Kunstsammler Reinhold Würth seit 2012 im Museum Johanniterkirche in Schwäbisch Hall präsentiert.

Lit.: Sander, Jochen: Die „Darmstädter Madonna“. Zur Entstehungsgeschichte von Holbeins Madonnenbild für Jakob Meyer zum Hasen. In: Hans Holbein der Jüngere 1497/98-1543. Porträtist der Renaissance, Zwolle 2003, S. 37-45.