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Brentano di Tremezzo, Heinrich von

Jurist, Politiker
* 20.06.1904 Offenbach
† 14.11.1964 Darmstadt
Der jüngste Sohn des Offenbacher Anwalts und Zentrumspolitikers Otto von Brentano beendete die Gymnasialzeit nach dem Umzug der nunmehrigen Minister-Familie 1922 in DA. Das Jura-Studium in Frankfurt/Main, Grenoble und München, wo er den Hitler-Putsch 1923 hautnah erlebte, beschloss er in Gießen; beim Gießener Verfassungsrechtler Hans Gmelin wurde er 1930 mit einer Arbeit über „die Rechtsstellung des Parlamentspräsidenten“ promoviert. Neben der Politik, in die ihn Besucher im Elternhaus wie die Begleitung des Vaters zu Reichstagssitzungen in Berlin eingeführt hatten, galten die Interessen vorab Kunst und Theater. Seit 1932 in der ehemaligen Sozietät des Vaters in DA, arbeitete Brentano, wegen einer frühen Verletzung nicht wehrfähig, bis zur Bombenzerstörung der Stadt 1944 als Anwalt. Obwohl der Mutter die Ministerpension von der NS-Regierung gesperrt wurde und Bruder Bernard in der Schweiz als Brecht-Freund zumindest anfangs aktiv gegen Hitler agitierte, blieb Brentano dem aktiven Widerstand fern.

Nach Kriegsende wurde er Mitbegründer der überkonfessionell-christlichen „Deutschen Aufbau-Bewegung“ in DA und der daraus erwachsenen CDU Hessen. Brentano hatte maßgeblichen Anteil an der hessischen „Verfassungsberatenden Landesversammlung“ wie am „Parlamentarischen Rat“ in Bonn. Seit 1947 Fraktionsvorsitzender der CDU im Wiesbadener Landtag, übernahm er als Abgeordneter der Bergstraße auch im 1949 gewählten Bundestag den Vorsitz der nunmehrigen Regierungsfraktion. Aktiv engagiert war er in der 1954 zunächst gescheiterten Verfassungsarbeit des Europarats. In vielen Bereichen schon vorher außenpolitischer Berater Adenauers, wurde Brentano im Sommer 1955 erster Chef des bis dahin vom Bundeskanzler mit versehenen Auswärtigen Amts. Gesundheitlich bereits angeschlagen, demissionierte er Ende Oktober 1961, als sein Amt in den Koalitionspoker mit der FDP geraten war. Die letzten Jahre im Fraktionsvorsitz standen bereits im Schatten der tödlichen Krebs-Erkrankung. Die Familiengrabstätte ist auf dem Darmstädter Waldfriedhof.

Lit.: Kosthorst, Daniel: Außenminister Heinrich von Brentano. Neue Facetten einer politischen Karriere. In: Heidenreich, Bernd (Hrsg.): Geist und Macht. Die Brentanos. Wiesbaden 2000, S. 259-270; Koch, Roland (Hrsg.): Heinrich von Brentano. Ein Wegbereiter der europäischen Integration, München 2004; Darmstädter Ehrengräber, Darmstadt 2016 (Darmstädter Schriften 105), S. 19-21; Die Brentanos. Eine romantische Familie?, hrsg. von Bernd Heidenreich, Evelyn Brockhoff, Anne Bohnenkamp-Renken und Wolfgang Bunzel, HLZ, Wiesbaden 2016.