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Brecht, Walter

Papieringenieur
* 29.06.1900 Augsburg
† 27.09.1986 Darmstadt
Walter Brecht, im Umfeld einer Papierfabrik aufgewachsen, verbrachte fast sein ganzes Leben an der TH Darmstadt (TU Darmstadt), der seinerzeit einzigen deutschen Hochschule, die den Studiengang Papieringenieurwesen anbot: 1920 bis 1925 als Student und Doktorand, seit 1931 als o. Professor, damals einer der jüngsten Professoren in Deutschland. Von 1925 bis 1926 war er im Forschungsstab der Hammer Mill Co in Erie/Ontario USA und von 1926 bis 1931 als Betriebsleiter der G. Haindl’schen Papierfabriken in Augsburg tätig. Im Studienjahr 1956/57 war Brecht Rektor der TH Darmstadt, während der Zeit des Zweiten Weltkriegs und nochmals 1959 bis 1961 Dekan der Fakultät Maschinenbau. Generationen von Papieringenieuren aus dem In- und Ausland (v. a. den skandinavischen Ländern) erhielten ihre fundierte Ausbildung in Brechts Darmstädter Institut für Papierfabrikation, das er nach der Zerstörung im Krieg mit Unterstützung der Papierindustrie wieder aufbaute und erweiterte. In seinen Forschungsarbeiten hat Brecht sein Fach für die moderne Technik und die Probleme der modernen Gesellschaft geöffnet. Als einer der Ersten hat er sich mit den ökologischen Fragen der Papierherstellung befasst. Seine wissenschaftlichen Arbeiten wurden darüber hinaus im Kontext der nationalsozialistischen Autarkiebestrebungen von der Vierjahresplanbehörde gefördert. An sein Hochschulinstitut wurde 1938 das Vierjahresplaninstitut für Zellstoff- und Papiertechnik angegliedert. Hier wurden Materialprüfungen sowie Eignungsprüfungen von Maschinen zur Papierfabrikation durchgeführt und zu Schleifverfahren und Holzschliff gearbeitet. Vor dem Hintergrund der Rohstoff- und Devisenknappheit sollte das Institut in Kooperation mit Georg Jaymes
Vierjahresplaninstitut für Zellstoff- und Papierchemie die Nutzbarmachung von einheimischen Einjahrespflanzen sowie die Nützlichkeit von Kunstleimen für die Zellstoff- und Papierindustrie prüfen. Nach seiner Emeritierung 1968 offenbarte Brecht mit seiner Autobiografie „Unser Leben in Augsburg, damals“ (Frankfurt/Main 1984) sein schriftstellerisches Talent, das ihm wie seinem älteren Bruder Bertolt Brecht eigen war.

Lit: Hanel, Melanie: Normalität unter Ausnahmebedingungen. Die TH Darmstadt im Nationalsozialismus, Darmstadt 2014, S. 279-288.